Drittes Leben: Getreidemühle 1868–1957

Am 15. Februar 1868 kaufte der Mühlenmeister Eduard Wolff (* 26. Mai 1825 in Usadel, Mecklenburg-Strelitz) das Zainhammer-Fabrikgrundstück mit der abgebrannten Knochenmühle, erbaute auf den Grundmauern des ursprünglichen Mühlengebäudes eine Mahlmühle und stellte ein Horizontalsägegatter auf. Veränderungen am Wasserbau nahm er nicht vor 1).

F. A. Schmidt: Aussicht vom Zainhammer in das schwarze Tal bei Neustadt-EberswaldeWolff hatte jedoch mit seiner Mühle kein Glück. Am 26. April 1869 teilte Herr Moehring, der Vorstand des Eberswalder Verschönerungsvereins, dem Magistrat mit: „Der Mühlenbesitzer Wolff auf Zainhammer hat Wasser in seinem Teich zu verschiedenenmalen derartig angestaut, das dasselbe über die Ufer getreten und dadurch unsere daneben belegenen, mit vielen Kosten erhöhten Wege abgespült und bedeutend beschädigt sind.“ 2) Es folgte ein langer Streit mit Eberswalde, den Wolff schließlich verlor. Im Urteil wurde jedoch kein zulässiger Wasserstand festgelegt. So wiederholten sich die Beschwerden in den folgenden Jahren. Der Magistrat von Eberswalde, der Amtsdirektor des Kreises Oberbarnim (Graf von der Schulenburg zu Trampe) und die königliche Forstdomäne Biesenthal befassten sich mit diesen Fällen. Weiterhin erfahren wir aus den zahlreichen Akten, dass ein Merkpfahl (Pegel) gesetzt werden sollte, dass die Arbeiter des Verschönerungsvereins bei der Pflege der Parkanlage Abfälle in der Schwärze entsorgten und damit das Wehr der Wolffschen Mühle verstopften und dass der Gastwirt des Zainhammer-Restaurants im Winter aus dem Mühlteich Eis für seinen Bierkeller gewann. 2)

Nachdem Wolff vergeblich seine Mühle der Stadt zum Kauf angeboten hatte, versuchte er sie 1872 zu versteigern, was aber die Regierung verbot. Schließlich erwarb Fritz Lorenz sen. die Zainhammermühle nach Zuschlagsurteil vom 20. Februar 1878.

Fritz Lorenz sen.Fritz Lorenz sen. († 11. Juli 1905, Bild 2) würden wir heute als Insider bezeichnen. Er besaß seit 1867 die ehemalige Gipsmühle an der Schicklerstraße und betrieb sie als Getreidemühle 1). Dabei verursachte er mit seinem Stauwerk (heute Wasserfall am Weidendamm) 1873 und 1883 ebenfalls Wasserschäden an umliegenden Stadthäusern. Da jedoch ein Pegel fehlte und deshalb keine maximale Stauhöhe festgelegt worden war, kam Lorenz glimpflich davon 2). Außerdem war er als erster Stellvertreter sowie Kassenwart der Freiwilligen Feuerwehr (1875) und Mitglied der Stadtverordneten-Versammlung von Eberswalde (1877) stadtbekannt.

Mühle 1881Lange Zeit erfahren wir wenig über den nun „Lorenzsche Mühle“ genannten Zainhammer. Fest steht, dass sich die Mühle als eher kleiner Betrieb neben den Mühlenwerken in Finowfurt und der Stolzeschen Mühle in Eberswalde zu behaupten wusste.

Fritz Lorenz jun. (* 23. Dezember 1868, † 26. April 1954) kaufte 1903 für 120 000 M die Mühle vom Vater. An der Nordseite der alten Mühle errichtete er 1912 einen 8½ m breiten, 17 m langen und 3 Etagen hohen Anbau (Bild 3) 2). Beide Betriebsarchen wurden unter das ursprüngliche Mühlengebäude verlegt, vermutlich zum Einbau einer Francis-Turbine. Das Einlaufbauwerk ist auf Akten zur Regelung des Wasserrechts der Mühle von 1923 zu erkennen (Bild 4).

Die Lorenzsche MühleIn der NS-Zeit unterstützte Lorenz die ­NSDAP mit Geld, und während des 2. Weltkriegs beschäftigte er Zwangsarbeiter, z. B. Phil de Guchtenaere von 1943 bis 1945. Nach dessen Erinnerung arbeiteten bis 1945 neben dem Besitzer noch der Vorarbeiter Henkel und auch ein junger Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion in der Mühle 3). Am 26. April 1945 starb Lorenz durch eigene Hand.

Emil KrämerUnmittelbar nach Kriegsende setzte Bürgermeister Dr. Göhre als treuhänderischen Betriebsleiter Emil Krämer (* 21. September 1911 in Köln-Stammheim) ein. Ein Enteignungsverfahren gegen die Mühlenbesitzer stellte geringe Schuld fest. So erhielten am 2. August 1946 die Erben Else Lorenz (* 26. Dezember 1875 in Berlin), Henriette Kirstein (* 13. Mai 1909 in Eberswalde) und Dr. Sofie Lorenz (* 10. August 1912 in Eberswalde, † 1974) die Mühle zurück  4).

Belegschaft am 1. MaiHastig und rücksichtslos schaffte die junge DDR das Privateigentum an Produktionsmitteln ab. Auf der II. Parteikonferenz der SED ­(9.–12. Juli 1952) beschloss man u. a. die Kollektivierung der Landwirtschaft und die Umwandlung anderer größerer Firmen in Volkseigene Betriebe (VEB). Als Druckmittel nutzte der Staatsapparat Auflagen, Steuern und Preise. Tausende Bauern und Gewerbetreibende saßen unter den Vorwürfen Steuerhinterziehung, Nichterfüllung des Ablieferungssolls, Verstoß gegen Warenbewirtschaftungs-Meldeverordnungen u. v. a. m. in Haft. 1953 unterstellte man auch der Zainhammermühle Steuerschulden. Fritz Krämer und Sofie Lorenz wurden verhaftet und kamen in Untersuchungshaft im Gefängnis Kupferhammer. Sie wurden jedoch am 17. Juni 1953 rehabilitiert und entlassen 3).

SituationsplanDie ständige Angst vor weiteren Unterstellungen veranlassten Krämer, der sehr an der Mühle hing, über Berlin in die BRD zu fliehen. Da nun ein fachlich versierter Betriebsleiter fehlte, waren die Tage der Getreidemühle gezählt. Müller Erich Preis arbeitete noch bis zum 31. Dezember 1955 in der Zainhammermühle. Das dritte Leben der Mühle endete 1957 schlagartig, nachdem Herr Siekmann und Frau Dr. Sofie Lorenz-Siekmann nach Westdeutschland gegangen waren und viele Mühlenmaschinen mitgenommen hatten 3).


Quellen:

1) Schmidt, R. 1939: Geschichte der Stadt Eberswalde Band 1: Bis zum Jahre 1740. Im Auftrage der Stadtverwaltung verfaßt von Rudolf Schmidt – Verlagsgesellschaft Rudolf Müller, Eberswalde – 459 S.

2) Kreisarchiv – Landkreis Barnim – #7859.

3) Wienke, R. 2004: Emil und Cläre Krämer erinnern sich – Interview.

4) Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam – Rep. 203 / AVE / 2089.


Ausstellung: Drei Leben

Eckhard Groll 12.11.2021